Ziele
Aufbau
Methodik

Durch eine telemedizinische Vernetzung von Krankenhäusern entsteht eine Gewinnsituation für alle Beteiligten (Patienten, Ärzte, Gesellschaft):

  • Patienten, hier insbesondere Kinder und ältere Personen, für die es häufig schwierig ist, akut in weiter entfernt gelegene Zentren stationär eingewiesen zu werden, können vor Ort behandelt werden und müssen trotzdem nicht auf die Expertise von spezialisierten Epilepsiezentren verzichten. Dadurch wären die Qualität der Behandlung flächendeckend reduziert und eine insgesamt erfolgreichere Therapie etabliert.
  • Für die Behandler vor Ort wird im telemedizinischen Konsil die Sicherheit/Möglichkeit der Diagnose und ggf. der Erfolg der Therapie erhöht. Insbesondere Epilepsiepatienten können so frühzeitig dahingehend untersucht werden, ob sie Diagnostik oder Therapie benötigen, die nur ein spezialisiertes Zentrum bieten kann, wie z. B. einen epilepsiechirurgischen Eingriff. Darüber hinaus heben die telemedizinischen Konsile die neurologische Ausbildung flächendeckend an.
  • Ein telemedizinisches Netzwerk spart Kosten ein aus gesundheitspolitischer Sicht: durch eine effektive und zielführende Diagnostik, durch eine schon initial erfolgreiche Therapie, durch Vermeidung kostspieliger Fehlbehandlungen, durch Einsparungen von doppelten Untersuchungen in verschiedenen Krankenhäusern und schließlich auch durch Einsparungen von doppelten stationären Aufenthalten der Patienten im peripheren Krankenhaus wie im Epilepsiezentrum.

In einer sozioökonomischen Erhebung konnten wir zeigen, dass die stationären Kosten für Epilepsie in einer Bevölkerung von 250.000 Einwohnern über 1 Million Euro lag (Strzelczyk et al. 2012). Dabei spielten die Kosten von stationären Aufenthalten aufgrund eines Status epilepticus die größte Rolle bei durchschnittlichen Krankenhauskosten vom 8.347 Euro pro Patient (Spannbreite: 609 € bis 37.647 €). Frakturen und andere Verletzungen als direkte Anfallsfolgen waren der Hauptgrund für stationäre Aufnahmen von Epilepsiepatienten außerhalb von neurologischen Abteilungen. Auf bayrische Verhältnisse übertragen, sind so mit weit über 50 Millionen Euro als Kosten für stationäre Aufenthalte von Epilepsiepatienten zu rechnen.

Im Netzwerk „Telemedizin Epilepsie” können insbesondere auch kontinuierliche Monitoring EEGs von Patienten mit Status epilepticus, die auf den Intensivstationen der Partnerkliniken behandelt werden, begutachtet und die Therapie des Status gesteuert werden. Hierdurch können Kosten durch Verkürzung des stationären Aufenthalts verringert werden und zukünftige Aufenthalte, sowie darüber hinausgehend indirekte Kosten (Krankheitsfehltage, Frühberentung und Arbeitslosigkeit von Epilepsiepatienten) reduziert werden.

Die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Erlangen ist seit vielen Jahren mit der Entwicklung und Anwendung der Telemedizin in der Neurologie beschäftigt. Gemeinsam mit Unternehmen aus der Metropolregion Nürnberg und anderen Bereichen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg wurden moderne Telesupportsysteme entwickelt und auf Sicherheit und Verlässlichkeit bei Fernuntersuchungen getestet. Ein Pilotprojekt hat die Probephase erfolgreich abgeschlossen: STENO, das „Schlaganfallnetzwerk mit Telemedizin in Nordbayern“, ist ein größerer Netzwerkverbund von Krankenhäusern unter der Koordination des Universitätsklinikums Erlangen. Alle hier gewonnenen Erfahrungen konnten unmittelbar in TelEp einfließen.

2013 wurde das deutschlandweit erste telemedizinische Netz zur Diagnostik und Behandlung von Epilepsien in Franken aufgebaut. Das Erlanger Epilepsiezentrum diente von Beginn an als koordinierendes Zentrum und arbeitete zunächst mit zwei Satellitenkrankenhäusern, die häufig Epilepsiepatienten akut zugewiesen bekommen, zusammen. In der erfolgreichen Pilotphase zeigte sich, dass der Bedarf an einer Beratung durch ein Epilepsiezentrum groß war, insbesondere bei pharmako-refraktären Epilepsien. Dabei ging es vornehmlich um komplexe medikamentöse Therapien und die Überprüfung, ob ein epilepsiechirurgischer Eingriff möglich ist. Darüber hinaus war die Syndromdiagnose bis hin zur Abgrenzung von anderen anfallsartigen Störungen ein häufiges Aufgabenfeld.

Das Ziel des 2015 initiierten Anschlußprojektes Telemedizin Epilepsie in Bayern – vertikale und horizontale Vernetzung (TelEp2), war es, durch eine horizontale UND vertikale Vernetzung von Behandlern eine longitudinale Betreuung von Epilepsiezentren über die verschiedenen Sektoren hinweg auf hohem Niveau zu gewährleisten. Zwischen Krankenhäusern sollte überregional die epileptologische Zusammenarbeit ausgebaut und optimiert werden. Darüber hinaus sollte ein vertikaler telemedizinischer Zusammenschluss zwischen dem Epilepsiezentrum Erlangen, den beteiligten neurologischen Kliniken und niedergelassenen Neurologen-Praxen ermöglicht werden, um Betroffenen mit Epilepsie sektorübergreifend und überdauernd die medizinische Expertise eines Epilepsiezentrums zur Verfügung zu stellen.

Die Erweiterung des Netzwerkes in horizontaler und vertikaler Ebene brachte viele Herausforderungen mit sich, die weit über die rein medizinischen Fragen hinausgehen. Dazu gehörten unterschiedliche technische Voraussetzungen der verschiedenen Teilnehmer, die in einem Netzwerk angeglichen werden mussten (z.B. Angleichung der verschiedenen Datenformate im Bereich der EEG-Aufzeichnungen). Aber auch eine unterschiedliche fachliche Ausrichtung der verschiedenen Einrichtungen, uneinheitliche geltende Datenschutz-Bestimmungen oder verschiedene gesundheitspolitische Ausrichtungen mussten berücksichtigt werden.

Nachdem die Pilotprojekte in 2013 und 2015 erfolgreich waren, wird TelEp in erweiterter Größe fortgeführt. Derzeit gibt es 12 Netzwerkpartner sowie eine internationale Kooperation mit der neurologischen Klinik in Ljubljana und der Neurochirurgie des AKH in Wien. Langfristig ist ein fortlaufend überregionaler Ausbau des Netzwerks möglich und anvisiert.

Das Kernstück der praktischen Arbeit im Netzwerk der „Telemedizin Epilepsie (TelEp)“ sind telemedizinische Konsile. Dabei wird im Epilepsiezentrum Erlangen ein telemedizinischer Dienst auf epileptologischem, spezialfachärztlichem Niveau vorgehalten, der die Konsile zeitkritisch bearbeitet. Vom peripheren Krankenhaus wird das Konsil angefordert, welches Anamnese, EEG (obligat), Video (bei Bedarf), und/oder Bildgebung (MRT) beinhaltet.

Typische Fragestellungen der Konsile sind:

  • Evaluation 1. Anfall
  • Ausschluss Epilepsie
  • Diagnose Epilepsie – Syndromdiagnose
  • Therapieempfehlung bei refraktärer Epilepsie
  • Diagnose Status epilepticus
  • Therapieempfehlung bei Status epilepticus
  • Beurteilung der Fahreignung
  • Epilepsiechirurgische Optionen

Nach Sichtung und Evaluation der bereitgestellten telemedizinischen Information findet umgehend ein direkter Kontakt zwischen Konsilarzt und Konsil anforderndem Arzt statt. Die therapeutischen Maßnahmen werden abgesprochen. Im Falle einer Epilepsie können diese von der Initiierung einer medikamentösen Therapie bei erstem Anfall bis hin zu intensivmedizinischen Maßnahmen inkl. Intubation und Beatmung bei Status epilepticus reichen. In schwersten Fällen könnte auch eine Notfallverlegung in das Universitätsklinikum Erlangen zeitkritisch organisiert und durchgeführt werden.

Arbeitstreffen im Epilepsiezentrum Qualitätssicherungsmaßnahmen begleiten das Projekt und ermöglichen somit auch eine wissenschaftliche Evaluation des Erfolges. Zum einen soll eine epileptologische Weiterbildung der Projektteilnehmer erfolgen, damit es gerade auch jüngeren KollegInnen ermöglicht wird, tiefere Einblicke in die komplexere Diagnostik und Therapie bei schwerer betroffenen Patienten zu gewinnen und die eigene Kompetenz auszubauen. Dazu gibt es regelmäßige Treffen der Projekteilnehmer. Zum anderen werden die Patienten einem strukturiertem Follow-up über 1 Jahr nach Erstkontakt zugeführt, um den Erfolg der Maßnahme zu überprüfen.